EGMR-Urteil beklagt türkische Beweismethoden in ByLock- und Bank Asya-Fällen

In einem wegweisenden Urteil verurteilt der EGMR die Türkei wegen zweifelhafter Beweise in den ByLock- und Bank Asya-Fällen. Dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die Verfolgung von Mitgliedern der Gülen-Bewegung haben

BİLAL BALTACI 27 Eylül 2023 DE

Foto: Depo Photos

Ein historisches Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei in den Fällen ByLock und Bank Asya verurteilt und beendet somit eine langanhaltende und umstrittene Praxis der Verwendung dieser Elemente als Beweise für die Verfolgung der Gülen-Bewegung.

Die Gülen-Bewegung, die von dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen gegründet wurde, stand in den letzten Jahren in der Türkei im Zentrum der politischen Debatte. Die türkische Regierung beschuldigte die Bewegung, hinter dem Putschversuch von 2016 zu stehen, und erklärte sie zur terroristischen Organisation. Infolgedessen wurden Tausende von Personen wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaftet, darunter Lehrer, Richter, Journalisten und viele andere.

Zu den zentralen Beweisen, die in diesen Verfolgungen verwendet wurden, gehörten die Nutzung der Messaging-App “ByLock” und die Konten bei der Bank Asya. ByLock galt als ein Kommunikationsmittel, das von den mutmaßlichen Mitgliedern der Gülen-Bewegung genutzt wurde, um geheime Nachrichten auszutauschen. Bank Asya wurde als eine Bank betrachtet, die der Gülen-Bewegung nahestand.

Das EGMR-Urteil stellte jedoch fest, dass die Herangehensweise der türkischen Justiz an diese Beweise systematisch problematisch war und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen darstellte. Insbesondere wurden folgende Menschenrechtsverletzungen identifiziert:

  • Verletzung des Grundsatzes “Keine strafrechtliche Verfolgung ohne Gesetz” (Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention): Die breite Auslegung des Gesetzes, insbesondere im Zusammenhang mit der Nutzung von ByLock, führte zu fast automatischen Verurteilungen und stand im Widerspruch zu den nationalen Rechtsvorschriften.
  • Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Artikel 6): Die Verfahren, die aufgrund der ByLock- und Bank Asya-Beweise durchgeführt wurden, wurden als nicht fair angesehen, da den Angeklagten nicht ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung gegeben wurde.
  • Verletzung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Artikel 11): Die Anklagen gegen Mitglieder der Gülen-Bewegung wegen ihrer Mitgliedschaft in bestimmten Gewerkschaften und Vereinigungen wurden als unangemessener Eingriff in ihre Rechte betrachtet.

Das EGMR-Urteil hat weitreichende Implikationen für ähnliche Fälle in der Türkei und fordert die Überprüfung und Neubewertung der bisherigen Verurteilungen und Verfolgungen. Es stellt einen Meilenstein in der Anerkennung der Bedeutung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit dar, und es bleibt abzuwarten, wie die Türkei auf dieses Urteil reagieren wird, um sicherzustellen, dass zukünftige Verfahren den internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen.

Die erwartete Entscheidung sorgte schon in der türkischen Regierungspartei AKP für Unruhe. Mehmet Acet, Kolumnist von Haber 7, sah vor einigen Tagen einen Zusammenhang zwischen Präsident Erdoğans jüngsten Äußerungen und der anstehenden Entscheidung. Regierungsnahe Experten befürchteten, dass eine EGMR-Entscheidung zugunsten von Yüksel Yalçınkaya die Türkei mit zahlreichen Schadensersatzklagen konfrontieren und die Bereitschaft zur Umsetzung dieser Entscheidung in Frage stellen könnte. Die politischen und diplomatischen Auswirkungen sind ebenfalls von großer Bedeutung.

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