Lira-Debakel: Bevölkerung leidet, Touristen profitieren

Der Absturz der Lira bescherte dem türkischen Tourismus 2022 ein Comeback, die Bevölkerung aber leidet unter der schwachen Währung.

KRONOS 09 Aralık 2022 DE

Selbst für Touristen war es nicht zu übersehen: im November stieg der Preis für einen Cappuccino im Istanbuler Stadtteil Kadiköy von einem Tag auf den anderen um 25 Prozent. Grund dafür ist die hohe Inflation im Land, für Touristen aber bleiben die Preise dennoch günstig, denn die türkische Lira erlebte im letzten Jahr einen Sturzflug. Im September 2021 war ein US-Dollar rund acht türkische Lira wert, jetzt etwa 18.

Die Wertminderung der türkischen Währung hat sich jedoch laut der Deutschen Welle positiv auf die Tourismusbranche ausgewirkt, für die Türkei ein wichtiger Wirtschaftssektor. Vor der Pandemie machte der Tourismus elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus und bot laut dem internationalen Unternehmensverband World Travel and Tourism Council fast 2,3 Millionen Arbeitsplätze.

Die Pandemie versetzte der Branche einen schweren Schlag, in diesem Jahr aber erholte sie sich – Reisen wurde wieder möglich und die schwache Lira befeuerte den Tourismus umso mehr.

Inflation geht durch die Decke

“Der Tourismus ist in diesem Jahr generell sehr stark, und darüber sind wir natürlich froh”, sagt Reiseleiter und Filmemacher Mustafa Efelti, der in dieser Saison eine Führung nach der anderen anbietet, um die Verluste während der Pandemie wieder wettzumachen. “Wir hatten sogar viele Gruppen aus Lateinamerika – das ist für uns ungewöhnlich, auch jetzt zu dieser Jahreszeit.”

Grund sei tatsächlich unter anderem die günstige Lira, vor allem für Reisende aus Ländern mit einer schwächeren Wirtschaft, bestätigt Efelti. “Touristen aus Bulgarien oder Rumänien zum Beispiel können mit 530 Euro (550 US-Dollar) eine wirklich gute Woche in der Türkei verbringen. In Paris hingegen würde das Geld nur für ein paar Tage reichen.”

Zwar kommen wieder mehr Touristen, aber die früher starke einheimische Tourismusbranche wurde durch die Wirtschaftspolitik dennoch schwer getroffen. Für viele Bürger ist die schwache Lira verheerend. Laut des türkischen Statistikinstituts ist die Inflation im Oktober um 85 Prozent gestiegen. Experten der unabhängigen Inflations-Forschungsgruppe ENAG in der Türkei sagen jedoch, dass sie in Wirklichkeit viel höher sei, nämlich etwa 185 Prozent. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yöneylem haben es mehr als zwei Drittel der Menschen in der Türkei schwer, ihre Lebensmittel und Miete zu bezahlen.

Trotz allem günstig für Touristen

Für Touristen bleibt die Situation positiv, zwar wird Urlaub in der Türkei wegen der Energiekrise und Inflation wie in anderen Ländern teurer, aber bleibt im Vergleich immer noch günstig. Die Türkei ist seit langem ein All-Inclusive-Reiseziel und wird es laut Reiseveranstalter TUI auch bleiben. “Der Fall der türkischen Lira hat das Land noch attraktiver für unsere Gäste gemacht, die ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis suchen”, sagt TUI-Sprecher Evangelos Georgiou.

Die Einnahmen der türkischen Tourismusbranche seien im dritten Quartal um 27,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 17,95 Milliarden Dollar gestiegen, teilte das türkische Statistikinstitut kürzlich mit. Dennoch liegt der Wert immer noch weit unter den 34,5 Milliarden Dollar, die die Branche 2019 erwirtschaftete.

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