Jesidisches Mädchen verdursten lassen: Bundesanwalt will höhere Strafe

Muss eine IS-Rückkehrerin wegen des grausamen Todes eines jesidischen Mädchens mit einer härteren Strafe rechnen? Die Bundesanwaltschaft will dies durchsetzen. Ein Urteil fällt der BGH am 9. März.

KRONOS 26 Ocak 2023 DE

Foto: Depo Photos

Sie soll tatenlos zugesehen haben, wie ihr Ex-Mann ein versklavtes jesidisches Mädchen bei sengender Mittagssonne qualvoll verdursten ließ. Was ist dafür die gerechte Strafe? Zehn Jahre Haft sind aus Sicht der Bundesanwaltschaft dafür zu wenig, berichtet die dpa. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) forderte sie am Donnerstag in Karlsruhe eine härtere Strafe für die IS-Rückkehrerin Jennifer W. aus Lohne in Niedersachsen. Der Ex-Mann der Angeklagten, ein Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), hatte die Fünfjährige im Sommer 2015 in einem Hof im Irak angekettet und sterben lassen.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte die heute 31-Jährige im Oktober 2021 unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen Beihilfe zum versuchten Mord sowie zum versuchten Kriegsverbrechen, wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit und wegen Sklaverei mit Todesfolge zu zehn Jahren Haft verurteilt. Es ging von einem minderschweren Fall aus, weil die Angeklagte nur eingeschränkte Möglichkeiten gehabt habe, die Versklavung des Kindes und seiner Mutter zu beenden und sie erst sehr spät erkannt habe, dass das Mädchen sterben könnte.

Für strafmildernde Gründe sehen die höchsten deutschen Ankläger aber keinen Anlass. Ihr Vertreter forderte eine Aufhebung der zehnjährigen Strafe und eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Sklaverei. “Es kommt heute zum Glück nicht oft vor, dass sich ein deutsches Strafgericht mit Sklaverei befassen muss”, sagte er. Weil es keinen Regelfall für Sklaverei gebe, könne der Fall nicht als minderschwer bewertet werden.

Wer hat das Sagen gehabt?

Auch die Nebenkläger-Anwältin der Mutter des fünfjährigen Mädchens betonte: “Es war alles andere als ein minderschwerer Fall von Sklaverei.” Die Angeklagte sei diejenige gewesen, die “das Sagen” gehabt und provoziert habe, dass Mutter und Kind von dem Mann bestraft wurden. “Die Angeklagte war nicht nur die Frau ihres Mannes.”

Die Mutter hat prominenten Rechtsbeistand: Menschenrechtsanwältin Amal Clooney war zwar nicht nach Karlsruhe gekommen, stand aber auf dem Verhandlungszettel. Sie vertritt regelmäßig Angehörige von IS-Opfern in Deutschland.

Die Verteidigerin der Angeklagten verwies hingegen darauf, dass der damalige Mann von Jennifer W. die Jesidinnen als Sklavinnen ins Haus gebracht habe. Es sei kein überdurchschnittliches Unrecht, dass sie ihren Mann unterstützt habe.

Gegen das OLG-Urteil haben der Generalbundesanwalt und die Angeklagte Revision eingelegt. Die Ankläger hatten eine lebenslange Haftstrafe gefordert – die Verteidigung eine maximal zweijährige Haftstrafe. Ihr Argument: Jennifer W. dürfe nur wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt werden.

Der Vorsitzende BGH-Richter dämpfte am Donnerstag nach der mündlichen Verhandlung überzogene Erwartungen an die obersten deutschen Strafrichter. Der BGH wolle sich zwar gründlich Gedanken machen, könne aber nur bei echten Rechtsfehlern eingreifen. “Die Strafzumessung ist in erster Linie Sache der Tatgerichte.”

Bundestag hat den Völkermord anerkannt

Der BGH will sein Urteil am 9. März verkünden. Das Rechtsmittel der Angeklagten war nicht Teil der Verhandlung.

Der Ex-Mann der Angeklagten war vom OLG Frankfurt im November 2021 des Völkermordes, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und eines Kriegsverbrechens mit Todesfolge für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zudem muss er der Mutter des Mädchens 50 000 Euro Schadenersatz zahlen. Dieses Urteil bestätigte der BGH just vergangene Woche auf die Revision des Mannes hin.

Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran und bilden eine religiöse Minderheit. Mehr als 5000 Angehörige der jesidischen Religionsgemeinschaft hatte die Terrormiliz IS im Jahr 2014 ermordet. Vergangene Woche erkannte der Bundestag die Massaker als Völkermord an. In Deutschland lebe die größte jesidische Diaspora weltweit, heißt es in dem Text weiter. Der Bundestag werde sich mit Nachdruck für den Schutz jesidischen Lebens hierzulande einsetzen.

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